Himmelbaden

 Eine Bergtour zum höchsten Berg im Mittleren Schwarzwald
 

Himmelbaden

Diese Tour führt führt durch traumhafte Wälder zu faszinierenden Ausblicken,
bietet Gaumenfreuden und Himmelbaden...

Wiesengrün trifft auf Himmelblau; Blumen, vereinzelte Obstbäume, wie von Malerhand gesetzt. Ein Schmetterling setzt sich auf eine Blüte, die Farben des
Lebens auf seinen filigranen Flügeln. Zarte Wölkchen steigen hinter dem Wiesenkamm empor, wie feine sonnendurchflutete Rauchzeichen, die mir sagen wollen: habe einen schönen Tag! Carpe Diem - lebe ihn!

Mit zunehmender Höhe verabschiedet sich der Kirchturm von Oberharmersbach unten im Tal, eingerahmt durch die Streuobstbäume im Vordergrund und die Bergrücken auf der anderen Seite. Am Wegesrand dunkelrote Walderdbeeren sowie kleine Tannenbäumchen, eine Christbaumzucht – zu Weihnachten
werden sie Kinderaugen zum Leuchten bringen. Nur das Singen der Vögel ist zu hören. Und mein Herzschlag, denn es geht steil bergauf. Die Tour heißt ja auch „Bergtour“. Ich will hoch zum Höchsten, hoch zum Brandenkopf. Historische Wegkreuze am Rand erinnern an die Gottesfürchtigkeit, die Dankbarkeit an die
Natur, aber auch an die Furcht vor den Naturgewalten. So erreiche ich den „Danielhof“, eine Ziege im Garten begrüßt mich sowie ein holzgeschnitztes Schild, das den Hof und den Namen zeigt. Bauernstolz. Daneben ein Ferienhäuschen. Welch wundervoller Platz, um Urlaub abseits der Hektik zu machen.

Dann geht es in den Wald, in den Schatten, die Lichtspiele der Blätter auf dem Weg. Aus dem Teer- wird ein Schotterweg. Was bleibt ist die Stille und mein Herzschlag. Walderdbeeren belohnen mich, rote Ruhebänke laden zur Rast ein. Ich muss an Oma denken. Ihre Spaziergänge mit den Enkelkindern im heimischen
Schwarzwald hießen immer „Bänkletour“. Majestätisch die Bäume am Wegrand – wie eine Allee wirkt das. Zu früheren Zeiten wurden diese hohen, kerzengeraden „Holländer“, also Tannenstämme, Masten für die holländischen Segelschiffe. Ein
Birkenblattzweig leuchtet im Gegenlicht. Es riecht nach Wald. Mischwald. Im Kontrast dazu violetter Fingerhut, ein kleines Glockenbäumchen, Ehrfurcht vor der Natur einfordernd. Ich bin auch auf dem „Hansjakobweg“, die Schildchen am Wegesrand mit dem schwarzen Hut zeigen mir den Weg. Schritt um Schritt
gewinne ich an Höhe, ich habe aufgehört zu denken, das Wandern wird zur Meditation, eingehüllt in das Licht und die Stille des Waldes. Bis der Wald sich öffnet und ich schlagartig unter blauem Himmel stehe. Saftig grün breitet sich eine Wiese vor mir aus, ein kleiner Holzschuppen; am Ende meines Blickfeldes
entdecke ich einen Bauernhof und noch einen. Warme Sonne im Gesicht und den Duft des Heus in der Nase geht mein Schritt die Wiese aufwärts. Mit jedem Schritt geht der Blick weiter in die Ferne. 
Passend dazu haben liebevolle Menschen eine genauso liebevolle Himmels-schaukelliege gebaut, genau richtig für eine Pause und für das Genießen. Für das Sein im Hier und Jetzt, ein Totengedenkstein erdet zusätzlich. Verschnaufen. Aber nicht allzu lange, denn von dem Bauernhof duftet es schon lecker nach Essen – es ist der „Durben“, mein erstes Etappenziel. Ich bin der erste Gast auf der Terrasse, freie Platzwahl. Wenig später stehen feine Bratwürste vor mir auf dem Tisch. Klar, mit selbstgemachtem Kartoffelsalat und geschmälzten Zwiebeln.
Lecker. Ein uriges Backhäusle zieht meine Blicke auf sich. Dahinter 
ein Bauernhäuschen. Für Kinder gibt es einen schönen großen Spielplatz. Ich bin nun 710 Meter hoch. Dem Apfelkuchen widerstehe ich, an meinem nächsten Ziel, der Gaststätte auf dem Brandenkopf, wartet bestimmt auch leckerer Kuchen
auf Gäste. Eines bleibt gleich: es geht weiter aufwärts, das Licht flimmert zauberhaft in den Blättern und Zweigen. Ein Brunnen am Wegesrand, jetzt muss ich an Vater denken, an Brunnen hat er uns beigebracht, die Arme tief eintauchen zum Kühlen, dazu etwas kaltes Wasser ins Genick und in den Hals. Danke Vater.
Am „Schwarzenbachsattel“ bin ich auf 786 Metern Höhe und der Grenze zwischen dem Kinzigtal und dem Harmersbachtal angelangt, früher trennte diese Linie ganze Reiche. Eine Holzhütte, oder besser gesagt eine Schutzhütte für schlechtes Wetter - oder auch nur die Vesperpause: die „Karl-Albert-Junghans-Hütte“. Ob der Junghans Karl auch Uhren gemacht hat, im nahen Schramberg, weiß ich jetzt nicht. 

Wenig später führt ein kleiner Pfad, Oma hätte „Trampelpfad“ gesagt, hinein in den Wald. Endspurt zum Brandenkopf. Es sind die vielen kleinen Details der
Natur, die den Wald so faszinierend machen. Wahre Größe zeigt sich im kleinsten Detail: dem filigranen Moos, dem Farn, dem Blätterspiel, bei den mystische Steinformationen, den Wurzeln, Blumen, kleinen Tieren. Langsamkeit. Ein Windrad reißt mich aus den Gedanken, Wohlstandsdenkmal, dann sehe ich ihn, den Brandenkopf, also den steinernen Aussichtsturm und die dazugehörende
Schwarzwälder Gaststätte, liebevoll in Holzschindeln gekleidet. Daneben der markante Fernsehturm. Im Volksmund heißt das ganze Ensemble einfach nur „Brandenkopf“. 
„Komm mir gehn uff de Brandekopf“ heißt also: „auf ein Bier und
Vesper in die Berggaststätte“. Zweihundertachtundzwanzig, zweihundertneun-undzwanzig – „Grüß Gott“ – zweihundert-wowar-ich-doch-gleich? Egal. Auf jeden Fall bin ich gleich oben, zahllose Treppen bezwingend, oben auf der Aussichtsplattform des Turmes. Was soll ich sagen: fantastischer Rundumblick!
Mit Infotafeln, die mir die Berge und die Entfernungen nennen. Durchatmen. Genießen. Ganz da unten liegt Oberharmersbach auf rund 300 Metern Höhe, mein Startpunkt. Der Brandenkopf ist 945 Meter hoch. Plus der Turm. Und wenn ich jetzt noch auf die Zehenspitzen stehe und mich strecke, bin ich der tausend
Meter Marke sehr nahe. Stolz. Ich habe also fast 700 Höhenmeter Aufstieg – OK, etwas aufgerundet – hinter und unter mir. Zeit für eine Belohnung, Zeit für lecker Apfelkuchen (wobei sich die Speisekarte auch toll liest; „alles frisch zubereitet“, wie die Bedienung mit Lächeln erwähnt). Vom Nebentisch in der ruhigen
Gartenwirtschaft duftet es. Glücklich schnaufend kommt ein Radfahrer an, er hat es auch geschafft. Ohne E-Motor. Ein Blick auf meine stilisierte Wegekarte zeigt mir: ich bin erst ein Drittel gewandert, also weiter! Durch den Wald, zunächst ein
gleiches Stück zurück, dann links. Durch die Mystik des Waldes.


Heidelbeersträucher am Rand, erste kleine Früchte sind zu erkennen, die Walderdbeeren sind schon reif. Mit Moos bewachsene Holzstumpfe. Königsblaue Lupinen. Knorrige Wurzeln. Abenteuerspielplatz. Dann: die „Kreuzsattelhütte“ mit großem Spielplatz für die Kleinen und Parkplätze für die Großen. Da kann
ich nur lächeln. Sonntags wäre die Hütte bewirtet, heute ist sie geschlossen. Dafür lese ich ein Schild: „Zum Vogesenblick“. Der Name verspricht eine tolle Aussicht. Also los zu einem kleinen Abstecher. Es geht wieder aufwärts und aufwärts. Unterwegs öffnet sich der Blick in die Ferne, aber mein Orientierungssinn
sagt mir, dass die Vogesen in die andere Richtung liegen, also weiter des Aufstiegs. Eine Weggabelung und die Frage links oder rechts, ich sehe kein Schild, ich brauche wieder meinen Orientierungssinn.
Hoffentlich lässt er mich nicht im Stich! Links. Kurz darauf eine Holztafel mit Pfeil: „Ar.Sch.-Wegle Vogesenblick“. Ob das nun eine Abkürzung für eine Berühmtheit oder das Popo-Wegle ist, weiß ich nicht, ist ja auch egal, Hauptsache ich bin richtig, ich jubiliere. Schnaufend, aber richtig. Dann beginnt ein noch steilerer Aufstieg auf einem mit Steinbrocken übersäten Weg, abenteuerlich. Schön. Eine Felsformation mit einer Sitzbank obendrauf. Den Ausblick mit „schön“ zu bezeichnen wäre untertrieben, nein, eine Frechheit. Grandios. Ein Platz an der Sonne, deshalb sind die Heidelbeeren hier oben auch schon reif. Ein Blick
auf meine „Junghans“: 25 Minuten zusätzlicher Aufstieg. Und das
„Aufstieg“ darf man wörtlich nehmen!
Der Abstieg wird wieder zur Meditation, Schritt für Schritt. An der Hütte über die Fahrstraße, die zum Brandenkopf führt, dann wieder in den Wald. Schritt für Schritt abwärts. Nichts denken. Gleichsam einem Licht am Ende des Tunnels öffnet sich nach geraumer Zeit der Wald, in der Mitte des Lichtes entdecke ich ein
kleines Häuschen. Des Rätsels Lösung: ich bin mittlerweile auf dem
„Harmersbacher Vesperweg“, die Touristiker haben tolle Dinge an den Weg gestellt. Aber nicht irgendwo, sondern an Plätzen mit der tollsten Aussicht. Wundervoll.
Das Häuschen hat eine kuschelige Sonnenliege, mit Vorhängen. „Schmusehisli“ steht da. OK, wenn man alleine wandert, hat man unterwegs seine Ruhe. Aber auch nix zum Schmusen. Also weiter. Es folgen weitere tolle Dinge der Touristiker, was wird nicht verraten, und zur Krönung ein Schnapsbrunnen, mit allem,
was das durstige Herz begehrt. Danke an Herrn Pfundstein, den Schöpfer und Befüller, denn da liegt auch kühles Bier drin. Vertrauensvorschuss!
Aber das wäre eine eigene kleine Geschichte über Menschen im Mittleren Schwarzwald wert….
Text & Fotos: Elmar Langenbacher