Der Mann mit dem Bart und dem Alphorn

Eigentlich waren wir mit Paul Boschert wegen seiner Liebe zur Alphornbläserei verabredet. Als er uns jedoch die Tür öffnet, war es erst einmal der Bart, der uns an dem freundlich lächelnden Mann in seinen Bann zog: Mächtig groß, ein Weltmeisterstück, im wahrsten Sinn des Wortes. Und genauso minder beeindruckend wie seine Alphornblaskunst, wie wir kurze Zeit später neidvoll anerkennen mussten... 

Der Mann mit dem Bart und dem Alphorn

Die Idylle passt, wenngleich statt auf Schweizer Berge wir auf sanfte Hügel des Kinzigtals in Nordrach schauen und die Sprache badisch statt schwyzerdütsch ist. Ein Klischee, wie ich schnell lerne, denn das Alphornblasen, Nationalsymbol der Schweiz, kommt, so Paul Boschert, gar nicht von dort. Wahrscheinlich hat es sich, so Boschert, aus dem einfachen Blasrohr, dem Büchel, früher Signalinstrument der Hirten, entwickelt. Und die gab es nun mal nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Schwarzwald. Nichtsdestotrotz waren es die Schweizer, die das Alphornblasen mit Intension verfolgt und das Horn zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein respektables Musikinstrument, beeindruckend in Form, Größe und Können.

1990 hat Paul Boschert, der Zeit seines Lebens immer musikalisch unterwegs war, mit dem Alphornblasen begonnen. Dabei ist er zum Alphorn eher zufällig gekommen, nämlich über einen Bekannten. Und weil er das Alphorn auch alleine spielen konnte, hat es ihn besonders fasziniert. Er nimmt Unterricht in der Schweiz, probt täglich, um zu Perfektion zu gelangen. Noch heute ist er, wenn irgendwie möglich, jeden Tag „droben am Wald“. Mit seinem drei Meter vierzig langen Alphorn. Den Tieren scheint’s zu gefallen. „In einem Jahr“, so der Mann mit dem Alphorn, „war es beispielsweise ein Hase, der jedes Mal aus dem Wald kam und sich zu mir setzte, wenn ich mit dem Blasen anfing. Nur jetzt kommt er nicht mehr“, meint der Musiker ein wenig melancholisch.

Boschert liebt die Musik aber auch das Instrument selbst. In seiner Werkstatt liegen die Alphörner fein säuberlich nebeneinander unter der Decke, findet sich alles was dazu gehört, um solche Instrumente herzustellen. Fünf Alphörner hat er inzwischen in liebevoller Handarbeit selbst gedrechselt. „Vier Wochen braucht eines gut, wenn ich immer dran schaffe tät“, meint Boschert.

Ein respektables Musikinstrument, beeindruckend in Form, Größe und Können

Paul Boschert hat seine Kunst mittlerweile perfektioniert, ist Mitglied im Nordwestschweizerischen Jodlerverband. „Zwei Jahre hat es gedauert, bis man mich aufgenommen hat“, erinnert sich der Musiker und lässt erahnen, dass die Aufnahmebedingungen streng sind. Die Schweizer werden es nicht bereut haben, schließlich hat Boschert zusammen mit seinem Mitstreiter Rolf Basler bewiesen, dass er das Zeug zu einem guten Alphornbläser hat. 2016 haben die Schwarzwälder sogar im mehrstimmigen Wettbewerb gewonnen und damit eine kleine Sensation geliefert, denn noch nie kamen die besten Alphornbläser der Nordwestschweiz aus dem Schwarzwald.

Die Menschen in ihrer Heimat freut’s, denn auch dort sind die beiden inzwischen ein Begriff, wenn sie mit weiteren Bläsern beispielsweise bei der Kräuterbüschelweihe am 15. August in Gengenbach den Gottesdienst feierlich umrahmen. Oder bei Naturkonzerten im Sommer wie in Haslach oder Wolfach das Alphorn blasen. Meist spielen sie nach Noten, denn es gibt extra Notenblätter, nur für Alphörner geschrieben. Ihre Auftritte absolvieren die Alphornbläser immer in Tracht. Boschert trägt Mantel, Hut, weiße Strickstrümpfen und die mit Röschen bestickte Weste mit viel Stolz. Nordracher Tracht, wie wir lernen – und irgendwie scheint sie für die liebevoll bemalten Hörner wie gemacht...

Der gelernte Weinbauer, Musiker und Hobby-Handwerker ist gerne unterwegs. Zwanzig Jahre lang hat der rüstige Rentner Wanderungen für die Gemeinde Nordrach geführt. Und noch heute zieht er mit Wanderbegeisterten jedes Jahr für eine Woche los. Dann hat der Mann mit den vielen Talenten meist sein Büchel dabei. Das Horn der Hirten, „schwieriger als das Alphorn zu erlernen, aber leichter zu tragen“.

Immer unterwegs war der Alphornbläser auch in der Zeit, als er mit seinem Bart Berühmtheit erlangte. Viermal Weltmeister, dreimal Europameister und viele Auszeichnungen mehr sind der Beweis, dass Bart nicht gleich Bart ist. Auch wenn er heute nicht mehr aktiv ist, der Bart ist Boscherts Markenzeichen geblieben. Und „beim Alphornblasen stört er schließlich auch nicht“...